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Zalamzimbo

Mit vom Grauen Star nordischer Nüchternheit eingetrübtem Auge mag uns die Opulenz und die schiere Unerschöpflichkeit orientalischer Gestaltungs- und Dekorationslust oft als Kitsch erscheinen. Den gibt es natürlich auch im Iran: vom chinesischen Winkekätzchen und Zimmerspringbrunnen mit Gartenzwerg bis zur naturalistischen Malerei an den Grenzen von Farbsättigung und -leuchtkraft. Und natürlich sind wir ein anderes Sehspektrum gewohnt.
Gleichwohl wird man das alte, seit der Antike bestehende Klischee vom orientalischen Hang zu Schwelgerei, Schmuck und Schnörkel schnell bestätigt finden. In seiner Sittengeschichte Roms vergleicht Ludwig Friedländer den Luxus der Alten mit dem neuerer Epochen und schreibt (Bd.II, S.328):

„Noch heute ist im Orient der Perlen- und Juwelenluxus, der dort unter den Kalifen enorm war, nicht gering. In Persien tragen Frauen außer anderm Schmuck Arm- und Fußbänder von Perlen, Damen vornehmen Stands auch einen Diamantenstrauß von hohem Wert; Gürtelschnallen, mit Edelsteinen besetzt, haben oft einen Wert von 1–2.000 Dukaten; auch Sättel und Pferdegeschirre sind mit Gold, Perlen und Juwelen überladen. Man trägt 15–16 Ringe, je 5–6 an einem Finger, und der Schah von Persien ist noch immer der größte Besitzer von Diamanten in der Welt.“

Na gut, das war vor rund 150 Jahren. Zier und Arabeske in Ornament und Architektur haben überdauert, Teppich, Schmuck und Geschmeide ihre Popularität auf den Basaren behauptet. Daneben geht es aber auch moderner zu, mit reichlich Eye Candy und weichgezeichneten Blumensträußen, die man sich via WhatsApp und Telegram sendet, auch unter Männern.

Mal ehrlich: Schlichte Finesse, moderne Formenstrenge, elegantes Understatement – das haben die Iraner drauf. Aber ja, es wird auch ganz gern mal dick aufgetragen, mit allem Rambazamba und allerhand Schnickschnack.
Schnickschnack heißt auf Farsi زلم زیمبو „Zalamzimbo“. Eins der ersten Worte, die ich mir beim Blättern durch das Wörterbuch gemerkt habe. Keine Ahnung warum. „333 bei Issos Keilerei“ (Alex der Große trifft auf den persischen König Dareios III.) – immer sind es vermeintlich unbrauchbare Informationen, die schnell (und außerdem recht hartnäckig) den Speicherplatz im Kopf belegen. Hirn-Schnickschnack sozusagen. Gerade Spezialvokabular in neuen Sprachen kann sich im Nachhinein aber als ganz nützlich erweisen. In meinem Fall stolperte ich zuerst über das Wort und nahm fortan um so mehr jeglichen Schnickschnack wahr. So konnte ich darauf zeigen und stolz „Zalamzimbo!“ ausrufen, auch wenn ich sonst noch kein nennenswertes Persisch zustande brachte.
Doch da war noch etwas anderes: der Klang. Za-lam-zim-bo hört sich an wie ein Zauberspruch, wie Simsalabim. Es klingt nach Orient, nach Magie, Sinnlichkeit und Spiritualität. Also ganz und gar nicht so abwertend, wie dies meist fürs deutsche Schnickschnack gilt. Das spielte eine ausschlaggebende Rolle, als wir über einen Namen für unser Reise- und Völkerverständigungs-Unternehmen nachdachten. Aus Zalamzimbo wurde Salamzimbo, ein Gruß gleichermaßen, und aus Schnickschnack wurden kleine Kostbarkeiten, Erlebnisse und Details, die wir auf Reisen entdecken, aus dem Kontrast heraus, im Widerspruch, das Außergewöhnliche im Normalen, von mir aus auch umgekehrt. Salamzimbo, das sind die metaphorischen Juwelen und Diamanten, die das Bild farbenfroh machen und unsere Erfahrungen ausschmücken.

Was jetzt den realen Schnickschnack angeht, nun, man gewöhnt sich an das Spektrum und weiß bald zwischen gutem und schlechtem Geschmack zu unterscheiden. Und hey, ein bisschen Luxus und Dekadenz darf sein! Genuss um des Genusses Willen. Manchmal frage ich mich sogar, ob wir diese Fähigkeit vor lauter sichtbetonierter Funktionalität aus den Augen verloren haben. Der Kontrast drängt sich spätestens dann erneut auf, wenn uns all die hübschen Mitbringsel, quasi aus ihrer natürlichen Umgebung gerissen, vor der heimischen Raufasertapete wieder wie Klimbim erscheinen.

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